KG Berlin v. 27.3.2024 - 9 W 59/22
Kostenhaftung des unerkannt Geschäftsunfähigen gegenüber einem Notar
Eine Kostenhaftung des unerkannt Geschäftsunfähigen gegenüber einem Notar scheidet in entsprechender Anwendung der Schutzvorschriften der §§ 104 ff. BGB auch dann aus, wenn der Notar zu seinem Tätigwerden gemäß § 15 BNotO verpflichtet ist.
Der Sachverhalt:
Im August 2021 suchte die bereits geschäftsunfähige Antragstellerin den Antragsgegner teilweise in Begleitung ihres ehemaligen Bankberaters, Herrn V, der ihr bei den Angelegenheiten des täglichen Lebens behilflich war, auf, weil sie beabsichtigte, diesen zu adoptieren und zum Alleinerben einzusetzen sowie ihm eine umfassende Vollmacht zu erteilen. Der Antragsgegner beriet die Antragstellerin in mehreren Terminen. Nachdem die Antragstellerin im September 2021 mitgeteilt hatte, von dem gewünschten Vorhaben Abstand genommen zu haben, erteilte der Antragsgegner seine Kostenberechnung über ca. 3.500 €, wobei er eine Beratungsgebühr gemäß Nr. 24201 KV-GNotKG ansetzte.
Das LG hob die Kostenberechnung auf, weil die Antragstellerin infolge ihrer Geschäftsunfähigkeit einen Beratungsauftrag nicht wirksam habe erteilen können und deshalb auch nicht Kostenschuldnerin gemäß § 29 Nr. 1 GNotKG sei. Die Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin sei nur im Falle einer Beurkundungstätigkeit des Antragsgegners unbeachtlich.
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens übersandte der Antragsgegner der Antragstellerin eine korrigierte Kostenberechnung über die gleiche Summe, mit der er nunmehr eine Gebühr für die vorzeitige Beendigung des Beurkundungsverfahrens gemäß Nr. 21301 KV-GNotKG angesetzt hat. Der Antragsgegner meint, die Antragstellerin habe ihm einen Beurkundungsauftrag erteilt. Er behauptet, die Antragstellerin sei an den Antragsgegner „mit dem ausdrücklich – und nicht nur konkludent – artikulierten Wunsch“ herangetreten, „den zusammen mit ihr erschienenen Herrn V zu adoptieren, zu dessen Gunsten ein Testament zu errichten und ihm eine Vorsorgevollmacht zu erteilen“. Die Antragstellerin habe nicht geäußert: „ich möchte mich beraten lassen“, sondern „ich möchte Herrn V adoptieren und ihn zu meinem Erben machen“. Der Antragsgegner meint, danach sei eine Gebühr entstanden, ohne dass es darauf ankomme, ob die Antragstellerin geschäftsfähig ist oder nicht. Ohnehin sei aber auch eine Beratungsgebühr als Vergütung für eine notarielle Tätigkeit, zu der ein Notar nicht gemäß § 15 Absatz 1 BNotO verpflichtet ist, unabhängig von der Geschäftsunfähigkeit eines Auftraggebers bzw. Antragstellers geschuldet. Die Differenzierung anhand von § 15 BNotO finde im Gesetz keine Stütze.
Das KG hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde dagegen ist anhängig beim BGH unter dem Az.: III ZB 30/24.
Die Gründe:
Der Antragsgegner kann von der Antragstellerin Zahlung der zunächst berechneten Beratungsgebühr gemäß Nr. 24201 KV-GNotKG nicht verlangen. Denn die Antragstellerin war bereits zur Zeit der Beauftragung des Antragsgegners geschäftsunfähig im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB und der erteilte Beratungsauftrag entsprechend dem Rechtsgedanken des § 105 Absatz 1 BGB nichtig.
Nicht anders ist zu entscheiden, hätte sich die Antragstellerin – was der Antragsgegner in Widerspruch zu seinem Vortrag vor dem LG nunmehr in zweiter Instanz geltend machen will – von vornherein mit einem konkreten Beurkundungswunsch an den Antragsgegner gewandt. Denn auch der Erhebung einer danach in Betracht kommenden Gebühr für die vorzeitige Beendigung des Beurkundungsverfahrens gemäß Nr. 21301 KV-GNotKG steht die Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin entgegen. Es kann daher offenbleiben, ob dem Antragsgegner vorliegend von der Antragstellerin tatsächlich ein Beurkundungsauftrag oder ein Beratungsauftrag erteilt worden ist, denn in beiden Fällen ist eine Kostenhaftung der Antragstellerin wegen ihrer Geschäftsunfähigkeit ausgeschlossen.
Zwar geht die nahezu einhellige Auffassung in der Literatur davon aus, dass die Geschäftsunfähigkeit einer Kostenhaftung des unerkannt Geschäftsunfähigen nicht generell entgegenstehe. Abgesehen von Fällen, in denen die Geschäftsunfähigkeit eines Auftraggebers bzw. Antragstellers für den Notar erkennbar sei und deshalb eine unrichtige Sachbehandlung oder eine schuldhafte Amtspflichtverletzung in Betracht komme, solle eine – auch entsprechende – Anwendung der Schutzvorschriften der §§ 104 ff. BGB dann ausscheiden, wenn der Notar zu seinem Tätigwerden – insbesondere im Falle einer Beurkundung – gemäß § 15 BNotO verpflichtet war.
Überzeugender ist jedoch die Auffassung, nach der eine Kostenhaftung des unerkannt Geschäftsunfähigen bereits deshalb nicht in Betracht kommt, weil es an dessen Verfahrensfähigkeit (§ 12 VwVfG; § 9 FamFG) fehlt. Diese setzt generell volle Geschäftsfähigkeit voraus. Fehlt die Geschäftsfähigkeit und damit die Verfahrensfähigkeit, liegt kein wirksamer Antrag vor und der „Antragsteller“ kann nicht Schuldner nach § 29 Nr. 1 GNotKG sein.
Eine Kostenhaftung des unerkannt Geschäftsunfähigen gegenüber einem Notar scheidet in entsprechender Anwendung der Schutzvorschriften der §§ 104 ff. BGB auch dann aus, wenn der Notar zu seinem Tätigwerden gemäß § 15 BNotO verpflichtet ist. Dies gilt daher auch für die vorliegende Beratung des Antragsgegners im Rahmen eines (abgebrochenen) Beurkundungsverfahrens.
Gemäß § 130 Abs. 3 GNotKG in Verbindung mit § 70 Absatz 2 FamFG war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da der Senat von einer herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung abweichen will und die Rechtssache daher grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Mehr zum Thema:
Urteil des KG im Volltext:
Keine Kostenhaftung des unerkannt Geschäftsunfähigen
KG vom 27.3.2024 - 9 W 59/22
NotBZ 2024, 224
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