BGH v. 24.7.2024 - IV ZB 8/23

Teilmittelloser Nachlass: Vorrang der Vergütung des Nachlasspflegers

Bei einem teilmittellosen Nachlass sind die Gerichtskosten des Nachlasspflegschaftsverfahrens (Nr. 12311 f. KV GNotKG) und die Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers (§ 1888 Abs. 2 Satz 2 BGB) nicht gleichrangig nach dem Verhältnis ihrer Beträge aus dem Nachlass zu befriedigen. Vielmehr kommt der Vergütung des Nachlasspflegers der Vorrang zu.

Der Sachverhalt:
Das AG - Nachlassgericht - ordnete die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers an und setzte den Beteiligten zu 1) als berufsmäßigen Nachlasspfleger zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben ein.

Der Beteiligte zu 1) beantragte die Festsetzung einer Vergütung für 12 Stunden und Anerkennung eines Aufwendungsersatzes i.H.v. 40,22 € brutto. Das AG bewilligte unter Zugrundelegung eines Aktivnachlasses i.H.v. rd. 1.420 € eine Vergütung i.H.v. rd. 1.380 € für 11,57 Stunden zu einem Stundensatz i.H.v. 100 € zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer aus dem Nachlass und eine solche i.H.v. rd. 20 € für 0,43 Stunden zu einem Stundensatz i.H.v. 39 € zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer aus der Staatskasse. Auf die Erinnerung der Bezirksrevisorin, mit der diese die Nichtberücksichtigung von Gerichtskosten i.H.v. 200 € gerügt hat, änderte das AG diesen Beschluss ab und bewilligte eine Vergütung unter Beibehaltung der im ursprünglichen Beschluss zugrunde gelegten Stundensätze i.H.v. rd. 1.200 € für zehn Stunden aus dem Nachlass und i.H.v. rd. 90 € für zwei Stunden aus der Staatskasse.

Das OLG wies die Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) hob der BGH den Beschluss des OLG auf und setzte die dem Beteiligten zu 1) für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger zu bewilligende Vergütung auf rd. 1.400 € fest, zu erstatten i.H.v. von rd. 1.380 € aus dem Nachlass und i.H.v. rd. 20 € aus der Staatskasse.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG sind die Gerichtskosten des Nachlasspflegschaftsverfahrens (Nr. 12311 f. KV GNotKG) und die Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers (§ 1888 Abs. 2 BGB) nicht gleichrangig nach dem Verhältnis ihrer Beträge aus dem Nachlass zu befriedigen, wenn der Nachlass nicht zur vollständigen Begleichung dieser Nachlassverbindlichkeiten ausreicht. Vielmehr kommt der Vergütung des Nachlasspflegers der Vorrang zu.

Die Frage, ob und in welchem Umfang sich die Gerichtskosten der Nachlasspflegschaft bei einem dergestalt dürftigen Nachlass auf die Höhe der Vergütung des Nachlasspflegers auswirken, ist streitig. Teilweise wird von einer gleichrangigen und verhältnismäßigen Berücksichtigung beider Nachlassverbindlichkeiten ausgegangen. Eine andere Auffassung weist den Gerichtskosten in der Reihenfolge der Gläubigerbefriedigung einen ersten Rang zu, betont jedoch zugleich, dass der Nachlasspfleger die im Nachlassinsolvenzverfahren geltende Rangfolge nicht beachten müsse und berechtigt sei, seine Vergütung und seine Auslagen vorab dem Nachlass zu entnehmen. Eine weitere Ansicht geht von einer Vorrangigkeit der Nachlasspflegervergütung im Verhältnis zu allen anderen Verbindlichkeiten aus und ist der Auffassung, eine andere, gleichrangige Befriedigungsreihenfolge von Nachlasspflegervergütung und Gerichtskosten sei nach § 324 InsO nur im Nachlassinsolvenzverfahren vorgesehen.

Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Eine analoge Anwendung insolvenzrechtlicher Rangvorschriften kommt nicht in Betracht. Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetz-gebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrunde-liegenden - Regelungsplan ergeben. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.08.2024 13:48
Quelle: BGH online

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