OLG Hamm v. 24.9.2024 - 13 WF 105/24

Auswirkungen eines allgemein gehaltenen Kontaktverbots auf die Beteiligung an einer WhatsApp-Gruppe

Zwar adressiert derjenige, der eine Nachricht in einer WhatsApp-Gruppe schreibt, hiermit aktiv die jeweiligen Mitglieder der Gruppe. Insofern ist diese Situation anders zu bewerten als das Verbreiten von Botschaften über den eigenen WhatsApp-Status. Gleichwohl kann nicht in jedem Fall das Verschicken einer Nachricht an eine WhatsApp-Gruppe als verbotene Kontaktaufnahme zu einem bestimmten Gruppenmitglied iSv § 1 S. 3 Nr. 4 GewSchG angesehen werden.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind ehemalige Lebensgefährten. Aufgrund eines entsprechenden Antrags der Antragstellerin hatte das AG am 5.2.2024 mit einer einstweiligen Anordnung, befristet bis zum 5.8.2024, unter Androhung von Ordnungsmitteln ein Kontaktverbot gegenüber dem Antragsgegner erlassen. Sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, habe der Antragsgegner sofort einen gebührenden Abstand herzustellen. Zudem stellte das Gericht klar, dass es dem Antragsgegner nicht verboten sei, an (Groß-)Veranstaltungen teilzunehmen, an denen auch die Antragstellerin teilnimmt, solange er ihr während dieser Veranstaltungen nicht nachstelle und nicht gegen das Näherungsverbot verstoße.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt und weitergehend beantragt, dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld i.H.v. mind. 10.000 € anzudrohen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festzusetzen. Zur Begründung hat sie mehrere Verstöße des Antragsgegners gegen die gerichtliche Anordnung vom 5.2.2024 geltend gemacht. So sei der Antragsgegner am 2.3.2024 mit dem Fahrrad unmittelbar an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Ferner hat die Antragstellerin eine Kontaktaufnahme durch den Antragsgegner über eine WhatsApp-Gruppe, der beide angehören, gerügt.

Das AG hat daraufhin gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld i.H.v. 400 € festgesetzt, sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100 € einen Tag Ordnungshaft angeordnet. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners war vor dem OLG teilweise erfolgreich. Es hat das Ordnungsgeld auf 100 € reduziert. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Die Gründe:
Zurecht hat das AG einen Verstoß des Antragsgegners gegen die am 5.2.2024 ergangene Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz darin gesehen, dass dieser am 2.3.2024 mit dem Fahrrad an der Wohnung der Antragsteller vorbeigefahren war und gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 890 ZPO ein Ordnungsgeld festgesetzt.

Der Antragsgegner hatte dies selbst eingeräumt. Zwar hatte er behauptet, davon ausgegangen zu sein, dass ihm aufgrund der gerichtlichen Anordnung lediglich verboten sei, sich der Antragstellerin persönlich zu nähern. Diese Annahme war indes unzutreffend. Der Beschluss verbietet dem Antragsgegner ausdrücklich, sich der Wohnung der Antragstellerin weniger als 20 Meter zu nähern. Aufgrund der Nennung der Anschrift wird dabei hinreichend deutlich, dass sich das Näherungsverbot auf das gesamte Wohnhaus einschließlich Hauseingangsbereich bezieht. Der vom Antragsgegner beschriebene Irrtum über den Inhalt der gerichtlichen Anordnung war daher als vermeidbarer Verbotsirrtum einzuordnen und stand der Annahme eines schuldhaften Verstoßes nicht entgegen.

Das Versenden seiner Nachricht an die WhatsApp-Gruppe, der auch die Antragstellerin angehört, stellte hingegen keinen schuldhaften Verstoß gegen das gerichtlich angeordnete Kontaktaufnahmeverbot dar. Zwar adressiert derjenige, der eine Nachricht in einer WhatsApp-Gruppe schreibt, hiermit aktiv die jeweiligen Mitglieder der Gruppe. Insofern ist diese Situation anders zu bewerten als das Verbreiten von Botschaften über den eigenen WhatsApp-Status, da es hier jedem Nutzer selbst überlassen ist, ob er auf den account des Inhabers klickt und sich die Statusmeldung anschaut. Gleichwohl kann nicht in jedem Fall das Verschicken einer Nachricht an eine WhatsApp-Gruppe als verbotene Kontaktaufnahme zu einem bestimmten Gruppenmitglied iSv § 1 S. 3 Nr. 4 GewSchG angesehen werden.

Eine Kontaktaufnahme dürfte unproblematisch gegeben sein, wenn der Absender das Gruppenmitglied mit seiner Nachricht gezielt anspricht oder eine Bemerkung macht, durch die sich die betreffende Person bei verständiger Würdigung aus objektiver Sicht persönlich angesprochen fühlen darf bzw. muss. Fehlt es an einer solchen persönlichen Kontaktaufnahme, gebietet nach Auffassung des Senats der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Differenzierung danach, ob es sich um eine sehr kleine Gruppe handelt, zu der neben den Beteiligten eines Gewaltschutzverfahrens nur wenige weitere (3-4) Personen gehören, oder ob es sich um eine Gruppe mit größerer Teilnehmerzahl handelt. In letzterem Fall tritt die mit einer Gruppennachricht immer auch verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds in der Regel derart in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot zum Schreiben von Nachrichten in die Gruppe nicht erforderlich erscheint, um die Antragstellerin vor Nachstellungen und Belästigungen des Antragsgegners zu schützen.

Würde man das mit einer Anordnung nach § 1 GewSchG in der Regel ausgesprochenen Kontaktaufnahmeverbot automatisch auf jegliche Aktivitäten des Adressaten einer Gewaltschutzanordnung in einer WhatsApp-Gruppe erstrecken, erführe dieser eine zu weitgehende Einschränkung in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit sowie seiner sozialen Kontakte und Kommunikationsmöglichkeiten. Er wäre letztlich auf eine individuelle Kontaktaufnahme zu den übrigen Gruppenmitgliedern angewiesen, was sich gerade in größeren Gruppen als nicht praktikabel erweisen dürfte. Demgegenüber stellt es für die Antragstellerin keine unzumutbare Beeinträchtigung dar, wenn der Antragsgegner eine allgemein an die Gruppe gerichtete Nachricht schreibt, mit der sie nicht persönlich angesprochen wird.

Da es sich bei der Frage, inwiefern das in einer Gewaltschutzanordnung enthaltene allgemeine Verbot der Kontaktaufnahme über soziale Medien auch das Versenden von Nachrichten in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe erfasst, über den hiesigen Einzelfall hinaus auch für andere Fälle grundsätzlich Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern, wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.11.2024 14:00
Quelle: Justiz NRW

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