BVerfG v. 24.10.2024 - 1 BvL 10/20

Volljährigenadoption: Gesetzliche Regelungen über namensrechtlichen Folgen verfassungsgemäß

Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass als Folge der Adoption einer volljährigen Person diese ihren bisherigen Nachnamen nicht unverändert fortführen kann. Die gesetzlichen Regelungen über die Volljährigenadoption ordnen im Grundsatz an, dass als Folge der Adoption die angenommene volljährige Person den Familiennamen der annehmenden Person als Geburtsnamen erhält. Damit kann einhergehen, dass sich auch der geführte Familienname der angenommenen Person ändert und sie ihren bisherigen Familiennamen lediglich noch als Teil eines Doppelnamens beibehalten kann. Die Entscheidung des BVerfG ist mit 5:3 Stimmen ergangen - die Richterin Ott, der Richter Eifert und die Richterin Meßling haben ein Sondervotum verfasst.

Hintergrund:
Die Annahme als Kind (Adoption) ist die Begründung eines rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses; auch bereits volljährige Personen können als Kind angenommen werden. Bei einer Volljährigenadoption mit sog. schwachen Wirkungen wie im Vorlageverfahren kommt es nicht zu einer Aufhebung der Verwandtschaftsverhältnisse der angenommenen Person zu ihren bisherigen Verwandten; diese Verhältnisse bleiben bestehen. Zusätzlich wird die angenommene volljährige Person aber Kind der annehmenden Person.

Die namensrechtlichen Wirkungen der Annahme einer volljährigen Person richten sich im Ausgangspunkt nach den für die Annahme Minderjähriger geltenden Regelungen. Grundsätzlich erhält danach die angenommene Person den Familiennamen der annehmenden Person als Geburtsnamen. Ist die angenommene Person verheiratet, führt sie aber mit dem Ehegatten oder der Ehegattin keinen gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen), dann ändert sich mit der Volljährigenadoption neben dem Geburtsnamen der angenommenen Person auch ihr Familienname; sie führt zukünftig den Familiennamen der annehmenden Person. Auf deren Antrag hin kann mit Zustimmung der anzunehmenden Person allerdings das zuständige Gericht anordnen, dass der bisherige Familienname der angenommenen Person dem neuen Familiennamen vorangestellt oder hinzugefügt, also ein Doppelname gebildet wird.

Der Sachverhalt:
Das Vorlageverfahren betrifft die namensrechtlichen Folgen der Annahme einer erwachsenen Person als Kind einer anderen Person (Volljährigenadoption). Die verwitwete Annehmende und die verheiratete Angenommene beantragten beim AG - Familiengericht - die Annahme als Kind ohne die Wirkungen der Minderjährigenadoption. Die Annehmende, die selbst keine leiblichen Kinder hat, war seit 1985 die Lebensgefährtin des zwischenzeitlich verstorbenen Vaters der Angenommenen. Die 1964 geborene Angenommene hat 1994 geheiratet; die Ehegatten haben keinen Ehenamen bestimmt, sondern ihre jeweiligen Geburtsnamen beibehalten. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Alle Kinder führen den (bisherigen) Geburtsnamen der Angenommenen als Familiennamen.

Das AG sprach die Annahme aus und ordnete an, dass dem neuen Familiennamen der Angenommenen deren bisheriger Familienname vorangestellt wird. Den Antrag auf Weiterführung des bisherigen Geburtsnamens der Angenommenen als alleiniger Familienname wies es ab. Der letztinstanzlich mit der Sache befasste BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob es mit dem von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vereinbar ist, dass gem. §§ 1767 Abs. 2 Satz 1, 1757 BGB bei der sog. schwachen Volljährigenadoption für einen Angenommenen, der bis zur Annahme als Kind seinen Geburtsnamen als Familiennamen, nicht aber als Ehenamen geführt hat, auch bei Vorliegen besonderer Umstände nicht die Möglichkeit besteht, diesen Geburtsnamen als alleinigen Familiennamen fortzuführen. Der BGH hält die Regelung für verfassungswidrig.

Die Gründe:
§ 1767 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB ist unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung in § 1757 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB mit dem GG vereinbar. Die bei Volljährigenadoptionen durch diese Regelungen unmittelbar bewirkte Namensänderung greift zwar in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht angenommener volljähriger Personen ein. Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Mit den vorgelegten Regelungen wird jedenfalls der Zweck verfolgt, die durch Adoption bewirkte Begründung eines neuen Eltern-Kind-Verhältnisses sichtbar zu machen. Der durch die vorgelegten Regelungen bewirkte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erweist sich für die hier verfahrensgegenständliche Konstellation unter Berücksichtigung der in § 1757 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB eröffneten Möglichkeit zur Bildung eines Doppelnamens als noch i.S.d. Verfassungsrechts angemessen.

Die durch die vorgelegte Regelung bewirkte zwingende Änderung des Geburtsnamens und des geführten Familiennamens der angenommenen volljährigen Person in der hier zu beurteilenden Konstellation als Folge der Annahme greift mit nicht unerheblichem Gewicht in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht ein. Das nicht unerhebliche Gewicht des Eingriffs in das Recht am eigenen Namen ergibt sich für die mit der Vorlagefrage unterbreitete Konstellation vor allem daraus, dass sich zwingend auch der bislang geführte Familienname der angenommenen Person ändert. Dem kommt bei einer Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen deshalb besonderes Gewicht zu, weil einerseits die angenommene Person den fraglichen Namen regelmäßig bereits längere Zeit geführt haben wird, und weil andererseits die verwandtschaftlichen Beziehungen zu der bisherigen Familie erhalten bleiben.

Bei der Regelung des Familiennamensrechts ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, dem mit den vorgelegten Normen verfolgten Ziel, das durch Annahme neu entstandene Eltern-Kind-Verhältnis durch einen einheitlichen Geburtsnamen sichtbar zu machen, weiterhin erhebliches Gewicht zuzumessen. Das Gewicht des nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers angestrebten Zwecks, das neu entstandene Verwandtschaftsverhältnis zwischen annehmender und angenommener Person sichtbar zu machen, kann im Falle der Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen allerdings nicht so hoch bewertet werden wie bei der Minderjährigenadoption oder der Annahme einer volljährigen Person mit starken Wirkungen. Da hier lediglich eine Verwandtschaft zwischen annehmender und angenommener Person begründet wird sowie die rechtliche Bindung zu den bisherigen Verwandten erhalten bleibt, kommt dem öffentlichen Interesse an der äußerlichen Sichtbarkeit der neuen verwandtschaftlichen Beziehung geringeres Gewicht zu, als es etwa bei der Adoption eines Minderjährigen mit Vollintegration in die neue Familie der Fall ist.

Die für die Entscheidung über die Vorlage bedeutsamen Regelungen über die namensrechtlichen Folgen einer Volljährigenadoption mit schwachen Wirkungen schaffen einen noch angemessenen Ausgleich zwischen dem Recht am eigenen Namen der angenommenen Person einerseits und dem verfolgten öffentlichen Interesse, i.S.d. Prinzips der familiären Namenseinheit (Zuordnungsfunktion des Namens) jedenfalls das durch die Adoption neu entstandene Eltern-Kind-Verhältnis sichtbar zu machen, andererseits. Dafür bedarf es allerdings einer Auslegung und Anwendung der durch § 1757 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB eröffneten Doppelnamensbildung, die der mit der Dauer des Führens des bisherigen Familiennamens steigenden Bedeutung des Rechts am eigenen Namen als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rechnung trägt.

Hat die angenommene volljährige Person (wie hier) Kinder, genügen die vorgelegten Regelungen im Zusammenspiel mit den besonderen Vorschriften über die namensrechtlichen Folgen für die Kinder ebenfalls den Anforderungen eines angemessenen Ausgleichs. Haben diese das fünfte Lebensjahr vollendet, erstreckt sich die bei dem angenommenen Elternteil eintretende Namensänderung lediglich dann auf sie, wenn sie sich der Änderung anschließen. Sind sie im Zeitpunkt der Annahme unterhalb dieser Altersgrenze, geht mit der Namensänderung nach der nicht zu beanstandenden Wertung des Gesetzgebers allenfalls ein Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht mit geringem Gewicht einher. Bis zu diesem Alter kommt der Identitäts- und Identifizierungsfunktion des Nachnamens noch keine zu berücksichtigende Bedeutung zu. Sind Kinder diesseits und jenseits der Altersgrenze vorhanden, ist zwar die durch einen gemeinsamen Familiennamen ausgedrückte personale Zusammengehörigkeit der Familienmitglieder betroffen. Durch entsprechende Disposition der anschlussberechtigten Kinder kann die Einheitlichkeit des Familiennamens aber gewahrt werden.

Abweichende Meinung der Richterin Ott, des Richters Eifert und der Richterin Meßling:
Wir können der Mehrheit des Senats weder in der Begründung noch im Ergebnis zustimmen. Es ist nach unserer Auffassung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) einer angenommenen Person, die ihren Geburtsnamen als Familiennamen, nicht aber als Ehenamen führt, nicht vereinbar, dass sie bei einer sog. schwachen Volljährigenadoption ihren Geburtsnamen nicht einmal bei Vorliegen besonderer persönlichkeitsrelevanter Umstände weiterhin als alleinigen Familiennamen führen kann.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung (die vorliegende Entscheidung im Volltext)
Zur Verfassungsmäßigkeit der § 1767 Abs 2 S 1 BGB iVm § 1757 Abs 1 S 1 BGB (Namensrecht bei der Volljährigenadoption mit schwacher Wirkung) obligatorische Änderung des Familiennamens der angenommenen Person in bestimmten Konstellationen als gerechtfertigter Eingriff in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Namen) Möglichkeit der Bildung eines Doppelnamens gem § 1757 Abs 3 S 1 Nr 2 BGB zudem Vereinbarkeit mit Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 S 1 GG sowie mit Art 3 Abs 1 GG Sondervotum zur Begründung sowie zum Ergebnis
BVerfG vom 24.10.2024 - 1 BVL 10/20

Rechtsprechung (der Vorlagebeschluss des BGH)
Name des Angenommenen nach Volljährigenadoption
BGH vom 13.05.2020 - XII ZB 427/19
Rainer Kemper, FamRB 2020, 440

Kommentierung | BGB
§ 1757 Name des Kindes
Teklote in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Kommentierung | BGB
§ 1767 Zulässigkeit der Annahme, anzuwendende Vorschriften
Teklote in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.01.2025 11:55
Quelle: BVerfG PM Nr. 5 vom 21.1.2025

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