OLG Rostock v. 22.1.2025 - 10 UF 19/24

Antrag auf Erstreckung der Bestellung eines Verfahrensbeistands in einem Sorgerechtsverfahren auf einen Umgangsmehrvergleich

Das OLG hat sich vorliegend mit der Behandlung eines wörtlich so bezeichneten "Antrags" eines Verfahrensbeistands in einem (reinen) Sorgerechtsverfahren, seine Bestellung auf einen Umgangsmehrvergleich zu erstrecken, befasst. Gegen eine solche Erstreckung bestehen dem Grunde nach rechtsmethodische Bedenken, weil § 158 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Bestellung eines Verfahrensbeistands nur verfahrensgegenstandsbezogen vorsieht. Im konkreten Fall bestand jedenfalls keine Erforderlichkeit i.S.d. § 158 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

Der Sachverhalt:
Gegenstand des vorliegenden (Beschwerde-)Verfahrens, das die Beteiligten durch übereinstimmende Beendigungserklärungen in nichtöffentlicher Sitzung des Senats abgeschlossen haben, war ausschließlich die elterliche Sorge. Die beteiligten Kindeseltern schlossen in dem vorbezeichneten Termin vor Abgabe der Beendigungserklärungen einen familiengerichtlich gebilligten Umgangsvergleich.

Im unmittelbaren Vorfeld des Vergleichsschlusses hatte die Verfahrensbeiständin in dem vorbezeichneten Termin, nachdem sich ein Konsens zwischen den Kindeseltern zum Umgang abgezeichnet hatte, darum gebeten, ihre Bestellung auf den Gegenstand des Vergleichs - "Umgang" - zu erstrecken. Dass diese Bitte bzw. ein entsprechender Antrag im Termin noch vor Abschluss des Vergleichs durch die Verfahrensbeiständin gegenüber dem Senat formuliert worden ist, gibt sie in ihrem Schriftsatz zutreffend wieder.

Das OLG wies den (wörtlich so bezeichneten) "Antrag" der Verfahrensbeiständin, ihre Bestellung auf den Vergleichsgegenstand "Umgang" zu erstrecken, zurück.

Die Gründe:
Für die begehrte Ausweitung der Bestellung besteht von Rechts wegen kein Raum, ohne dass entschieden werden müsste, ob der Verfahrensbeiständin insofern überhaupt ein förmliches Antragsrecht zusteht.

Es bedarf keiner förmlichen Ergänzung des Terminsvermerks. Dass im Termin eine Bitte geäußert bzw. ein Antrag gestellt worden ist, und zwar konkret mit dem Inhalt, wie die Verfahrensbeiständin ihn in ihrem Schriftsatz zutreffend wiedergibt, steht außer Streit. Davon abgesehen kommt dem Vermerk i.S.v. § 28 Abs. 4 FamFG keine - positive oder negative - Beweiskraft entsprechend § 165 ZPO zu. Nicht entschieden werden muss ebenfalls, ob eine Bestellung im Zusammenhang mit einem sog. Mehrvergleich, wie er hier vorliegt, überhaupt - im Ansatz - in Betracht kommen kann. Bereits dies begegnet aber Bedenken.

Im Wesen des Mehrvergleichs liegt es gerade, dass sich Verfahrens- und Vergleichsgegenstand nicht decken, wobei vorliegend eine vollständige Inkongruenz vorliegt, weil die elterliche Sorge insgesamt nicht Gegenstand des Vergleichs und umgekehrt der "verglichene" Umgang insgesamt nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen ist. Eine Erweiterung der Bestellung der Verfahrensbeiständin in der von ihr intendierten Richtung könnte damit schon aus rechtsmethodischen Gründen überhaupt nur in Betracht kommen, wenn eine Bestellung außerhalb des Verfahrensgegenstandes möglich ist. Dagegen spricht deutlich der Wortlaut des § 158 Abs. 1 Satz 1 FamFG.

Ob ggf. in der gerichtlichen Billigung (§ 156 Abs. 2 Satz 1 FamFG) einer Umgangsvereinbarung die - schlüssige - amtswegige Einleitung eines Umgangsverfahrens mit der Folge liegen kann, dass der Umgang damit doch zum (zusätzlichen, neben die elterliche Sorge tretenden) Verfahrensgegenstand wird, kann dem Grunde nach offenbleiben. Die obergerichtliche Rechtsprechung lehnt dies wohl zu Recht ab, weil anderenfalls zumindest in der praxistypischen Konstellation, dass in einem reinen Sorgerechtsverfahren verfahrensgegenstandsüberschießend eine Umgangsvereinbarung getroffen wird, das Konstrukt des Mehrvergleiches im Grunde ausgehöhlt und obsolet wäre, es einen Mehrvergleich in dieser Konstellation also der Sache nach gar nicht geben könnte. Dies wäre neben rechtsmethodischen Bedenken letztlich auch mit den wohlverstandenen Kosteninteressen der beteiligten Kindeseltern schwer zu vereinbaren.

Selbst wenn dies anders zu sehen und die Ausweitung der Bestellung auf einen allein vergleichs-, nicht aber verfahrensgegenständlichen Bereich - hier: Umgang - im Ausgangspunkt möglich sein sollte, hätte in dem vorliegenden Fall jedoch nicht die notwendige Erforderlichkeit i.S.d. § 158 Abs. 1 Satz 1 FamFG vorgelegen. Der notwendige Umgangskonsens zwischen den beteiligten Kindeseltern hat sich im Termin zwanglos herstellen lassen. Einen substantiellen Beitrag zur Konsensfindung hat die Verfahrensbeiständin innerhalb des Termins nicht geleistet. Es entsprach allseitigem Konsens, dass beiden Elternteilen bzgl. des bzw. der beim jeweils anderen Elternteilen lebenden Kindes bzw. Kinder schnellstmöglich ein buchstäblich "ganz normaler" Regelumgang eingeräumt werden müsse. Exakt darauf haben sich die Kindeseltern sodann auch geeinigt.

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Kommentierung | FamFG
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Hammer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.02.2025 12:26
Quelle: Landesrecht M-V

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