Thüringer OLG v. 2.4.2025 - 1 UF 16/25
Familiengericht darf Umgangsregelung nicht einfach „nur“ ablehnen
In der Regel darf sich ein Familiengericht nicht darauf beschränken, eine Umgangsregelung lediglich abzulehnen. In einer solchen Vorgehensweise liegt eine unzulässige Teilentscheidung, die eine Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG gestattet.
Der Sachverhalt:
Die Kindeseltern sind seit Juni 2018 geschieden. Aus der Ehe stammen die beiden Kinder E. und O. Es besteht gemeinsame elterliche Sorge. Die Kinder leben bei der Mutter. Alle 14 Tage am Wochenende holt der Vater sie zum Umgang ab und bringt sie zurück. Er ist erneut verheiratet und hat zwei weitere minderjährige Kinder.
Am 14.8.2024 hat der Kindesvater das gerichtliche Verfahren zur Regelung des Umgangs eingeleitet. Entgegen gemeinsamer Absprachen sei die Kindesmutter weggezogen. Seither könne der Umgang nur stattfinden, wenn er die Fahrtstrecke von 560 km hin- und zurück auf sich nehme. Er sei vollschichtig erwerbstätig und zahle für E. und O. weit über dem Mindestunterhalt. Es fehle ihm die Zeit, die erforderlichen Umgangsfahrten allein zu übernehmen. Zudem setze er seine physische und mentale Gesundheit zunehmend aufs Spiel.
Die Kindesmutter stellte sich gegen den Antrag. Der Kindesvater wolle sie offensichtlich mit gerichtlichen Mitteln zwingen, sich an den Umgangsfahrten zu beteiligen. Ein solcher Anspruch bestehe allerdings nicht. Grundsätzlich obliege es dem betreuenden Elternteil nicht, das Kind zum anderen Elternteil zu bringen und dort wieder abzuholen.
Das Familiengericht hat die beiden Kinder persönlich angehört. Beide haben angegeben, sich die Zugfahrt ohne Begleitung nicht vorstellen zu können. Daraufhin hat das Gericht eine Änderung der bisherigen Umgangsregelung für die gemeinsamen Kinder E. und O. zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Kindesvaters hat das OLG den Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.
Die Gründe:
Die bloße Ablehnung einer gerichtlichen Umgangsregelung ist grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.7.2005 – 1 BvR 2151/03; BGH, Beschl. v. 13.4.2016 – XII ZB 238/15). Das zur Regelung des Umgangsrechts angerufene Familiengericht muss im Regelfall entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret regeln oder, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist, die Umgangsbefugnis ebenso konkret einschränken oder ausschließen; es darf sich nicht auf die Ablehnung einer gerichtlichen Regelung beschränken.
Durch die bloße Ablehnung des Antrages auf gerichtliche Regelung tritt ein Zustand ein, der weder für die Beteiligten zumutbar erscheint noch dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz gerecht wird, unter dem das Umgangsrecht des Elternteils steht. Schließlich bleibt durch eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt wird, die aber eine gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigert, das Umgangsrecht nur scheinbar unberührt. Denn der umgangsberechtigte Elternteil weiß dann nicht, in welcher Weise er das Recht tatsächlich wahrnehmen darf und in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt ist, was nicht im Einklang mit der besonderen Bedeutung, die dem Umgangsrecht als einer unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stehenden Rechtsposition zukommt, steht.
Hier hatte der Kindesvater unabhängig von der Frage der Hol- und Bring-Modalitäten die Aufstellung einer verbindlichen Umgangsregelung verlangt, gerade im Hinblick auf die Ferienregelungen oder - dem Antrag nach - mit Blick auf die Abweichung von dem bisher praktizierten zweiwöchigen Turnus. Hierüber war eine Entscheidung zu treffen. Das Gericht durfte nicht einfach die Regelung den Eltern überlassen und sich ggf. auf eine Missbrauchskontrolle beschränken, was vorliegend dazu führen würde, dass die verfahrensbeteiligten Eltern in einen regelungslosen Zustand entlassen werden. Es mag sein, dass die Kindeseltern auf eine bisherige Umgangspraxis zurückblicken können - eine durchsetzbare Regelung, deren Abänderung versagt werden kann, liegt dennoch bisher nicht vor. Etwaige Ausnahmefälle, in denen die Abstandnahme von einer Regelung zunächst erwogen werden kann, sind nicht gegeben.
Die Zurückweisung eines Umgangsregelungsbegehrens stellt insoweit keine gesetzliche Form der Beendigung eines Umgangsverfahrens dar. Das Familiengericht kann das Verfahren nur in der Form beenden, dass es eine Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 BGB trifft, eine Umgangsvereinbarung nach § 156 Abs. 2 FamFG billigt, den Umgang bei Kindeswohlgefährdung nach § 1684 Abs. 4 BGB ausschließt oder aber, wenn im Ausnahmefall das Regelungsbedürfnis entfallen ist (etwa durch eine tatsächliche außergerichtliche Einigung), das Verfahren durch Endbeschluss einstellen.
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